Dumm, dümmer, Check-in!

Heute Morgen rief mich gleich zur Ladenöffnungszeit meine Kollegin an, um mich auf den neuesten Stand bei ein paar Buchungen und Anfragen zu bringen. Da wir beide nur in Teilzeit arbeiten und das an verschiedenen Wochentagen, ist unser Arbeitsplatz entweder morgens mit Notizzetteln übersät oder eine von uns ruft an - oder beides.

Die notwendigen Fakten beschäftigten uns nicht annähernd so lange wie die Story einer Familie, die gestern nach Bulgarien fliegen wollte. Naja, geflogen sind sie auch. Nur wahrscheinlich auch umgehend wieder zurück.

Meine Kollegin erreichte gestern der Anruf einer bulgarischen Reiseleiterin, sie habe hier eine Familie, die mit einem Kind ohne Ausweispapiere einreisen wollte. Und das Reisebüro sei schuld! Jetzt mal ganz unliterarisch: HÄ`??? Die in Tränen aufgelöste Mutter behauptete bei der Buchung sei ihr versichert worden sie bräuchte keinen Pass. Den zweiten Satz "der Personalausweis genügt" hatte sie wohl überhört.

Zum Glück gehen wir bei jeder Buchung gemeinsam mit den Kunden etwa eine halbe Seite Kleingedrucktes durch: dass die Daten und Namen so richtig geschrieben sind (manchen fällt erst da auf, dass sie ja gar nicht "Bärbel", sondern "Barbara" heißen), die Flugzeiten sich jederzeit noch ändern können, die Hotelbeschreibung und AGBs des Reiseveranstalters ausgehändigt wurden, ein Online-Check-in eventuell Pflicht ist (Danke, TUIfly!), usw. - und dass jeder Reisende für die Einhaltung der Einreisebestimmungen selbst verantwortlich ist.

Das nur am Rande.

Jedenfalls fragte meine Kollegin wie die Familie überhaupt ohne Ausweise ins Flugzeug gelangen konnte! Die Dame am Check-in hätte gesagt sie können auch ohne Papiere fliegen. Schreckensszenarien fliegen seither durch meinen Kopf: was wenn dieses Kind nun entführt worden wäre?

Welch Ironie, dass die EU gerade eine neue Richtlinie verabschiedet hat, die das Reisen mit geklauten Pässen erschweren soll: spätestens ab Herbst 2017 soll jeder Pass gescannt und mit einer Datenbank abgeglichen werden. Vielleicht habt Ihr in den letzten Tagen schon von stundenlangen Wartezeiten an den Passkontrollen an Flughäfen gehört. Und jetzt hat es jemand geschafft komplett ohne Ausweispapiere zu reisen??? Zum Glück hat wenigstens jemand bei der Bulgarischen Einreise aufgepasst...

Ich bin sehr gespannt ob und wann sich die Familie wieder bei uns meldet. Ob sie in Bulgarien Ersatzpapiere bekommen haben? Oder wurden sie mit der nächsten Maschine zurück nach Deutschland geschickt?

Wir kommen gar nicht mehr aus dem Kopfschütteln heraus. Da streiten sich einige um den ersten Platz "Dummkopf der Woche": die Eltern, die zuvor nie auf die Idee kamen, dass ein Kind zum Verlassen der Landesgrenzen einen eigenen Pass benötigt. Die Dame am Check-in, die meiner Meinung nach eine saftige Abmahnung wegen Gefährdung der Sicherheit verdient hat. Oder die Reiseleitung mit "das Reisebüro ist schuld".

Wir haben schon einiges miterlebt von wegen fehlender oder ungültiger Papiere:

• Erst vor ein paar Wochen die Dame, die in ein Afrikanisches Land nicht einreisen durfte, weil ihr Visum für drei Tage weniger gültig war, als der Flug gebucht war.
• Die Ex-Chefin, die wenige Stunden nach dem geplanten Abflug in den Urlaub wieder auf der Matte stand: Sie hatte den Ausweis der Tochter zu Hause vergessen. Der Flieger ging ohne sie (warum hat sie eigentlich nicht am Flughafen neue bei der Bundespolizei besorgt?) und unsere Freude über eine chef-freie Woche war hinüber...
• Drei Tage vor Abflug rief eine Kundin an: sie hatte für die Großfamilie eine Reise nach Lanzarote gebucht und erst als ihre Mutter zufällig die Reiseunterlagen ansah, erfuhr sie, dass diese ihren Zweitnamen als Rufnamen nutzt. Interessante Erfahrung, wenn man erst mit Mitte 20 erfährt, dass die eigene Mutter eigentlich ganz anders heißt... Zum Glück war es ein Condor-Flug, wo ein Name-Change für 30 Euro machbar war.
• Der Kollege aus einem anderen Büro, den Emirates nicht mit nach Dubai nahm, da sein Reisepass weniger als 6 Monate über die geplante Reise gültig war.

Mir selbst ist es schon passiert, dass ich meinen Führerschein zu Hause vergessen hatte. Also ist mein Mann zähneknirschend auf Kos Auto gefahren (er fährt nicht gerne fremde Autos).

Und auf Zypern wollte eigentlich meine Mutter Auto fahren und hatte ihren Führerschein in Deutschland liegen lassen. Ich sagte noch großspurig: kein Problem, ich bin ja über 25, dann fahre halt ich. Hm. Bis ich aus dem Flughafengebäude in Larnaca trat: "Ups, hier ist ja Linksverkehr!" Da lernt man einen aufmerksamen Beifahrer sehr schätzen!